Das kleine A B C der Wärmebehandlung

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Tiefkühlen

Im wesentlichen bestimmen die Härte und der Verschleißwiderstand die Lebensdauer von Werkzeugen. Daneben sind Maßhaltigkeit und geringe Eigenspannung bei vielen Werkzeugen unverzichtbare Voraussetzungen für eine einwandfreie Funktion. Gefügeveränderungen, wie eine Restaustenitumwandlung während des Gebrauchs, können zum Ausschuss des Werkzeugs führen; sie sind daher möglichst zu vermeiden. Als Restaustenit wird der Austenitanteil bezeichnet, welcher nach dem Abschrecken bis auf RT im Gefüge verbleibt. In bestimmten Anwendungsfällen, insbesondere bei Verwendung hochlegierter Werkzeugstähle, kann der Austenitgehalt eines Stahls auf dessen Verwendbarkeit und Güte entscheidenden Einfluss nehmen.  In letzter Zeit wird vor allem für die hochlegierten ledeburistischen Werkzeugstähle das Tiefkühlen verstärkt in Erwägung gezogen. Hierbei wird neben dem Tiefkühlen unmittelbar nach dem Abschrecken aus Gründen möglicher Rissgefahr oftmals auch das Tiefkühlen nach dem ersten Anlassen favorisiert. Hervorzuheben ist, dass ein Tiefkühlen immer eine Rissgefahr in sich birgt und somit nicht ohne weiteres für alle Werkzeuge geeignet ist. Zusätzlich muss bedacht werden, dass ein Tiefkühlen nicht bei allen Stählen Sinn macht, da nicht in allen Stählen Restaustenit entsteht. Die Bildung von Restaustenit hängt hauptsächlich vom C-Gehalt ab. In unlegierten und schwachlegierten Stählen muss ein C-Gehalt von mindestens 0,5% vorhanden sein. Grundsätzlich kann der Restaustenitgehalt auch durch ein mehrfaches, mindestens dreimaliges Anlassen gesenkt werden. 

Der bei RT nach dem Härten vorliegende Restaustenitanteil kann durch ein Tiefkühlen, insbesondere bei ledeburitischen Chromstählen (z.B. 1.2379, 1.2080, 1.2436) sowie Schnellarbeitstählen, verringert werden. Auch bei eutektoiden Werkzeugstählen, wie beipielsweise 1.2842, kann ein Tiefkühlen sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte die Tiefkühlbehandlung unmittelbar nach dem Härten, also vor dem ersten Anlassen, stattfinden. Der Erfolg eines Tiefkühlens erst nach dem ersten Anlassen ist dagegen nach dem aktuellen Kenntnisstand zum Zweck der Restaustenitumwandlung zunächst zweifelhaft. Dennoch ergeben sich augenscheinlich auch nach einer solchen Prozessfolge, Standzeitverbesserungen. Gründe hierfür können die Ausscheidung dispers verteilter η-Karbide sein. 

Die gezielte Umwandlung von Restaustenit durch Kombination konventioneller Wärmebehandlungstechniken mit Tiefkühlen ist oft die technisch und wirtschaftlich sinnvollste Verfahrensweise, um die angestrebten Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Eine große Anwendungsvielfalt kennzeichnet die Entwicklung der letzten Jahre; ebenso der Trend zu immer tieferen Temperaturen. Temperaturen bis auf -60°C lassen sich in gekühlter Luft (übliche Tiefkühltruhen oder -schränke) erreichen. Niedrigere Temperaturen als -60°C können unter Verwendung von Trockeneis, Alkoholmischungen oder in verflüssigten Gasen (flüssiger Stickstoff: -196°C) erzielt werden. Minustemperaturen von -196°C durch Flüssigkstickstoff werden heute überwiegend direkt und indirekt angewendet. In Sonderfällen ist sogar die Unterschreitung dieser Temperaturen durch Übergang auf Flüssighelium mit einem Temperaturniveau von ca. -269°C sinnvoll.

 

Vakuumhärten

Das Vakuumhärten ist ein Verfahren in dem auch hochlegierte Stähle und Edelstähle gehärtet werden können. In speziellen Vakuumöfen können auch hochlegierte Stähle und Edelstähle gehärtet werden. Für diese Stähle ist eine schroffe Abschreckung in Öl oder Wasser nicht notwendig und (konstruktiv bedingt) auch nicht möglich. Die Abschreckung erfolgt mit Schutzgas, in der Regel mit Stickstoff. Gasabschreckung führt zu weniger Werkstoffverzug.

Das Vakuum sorgt beim Vakuumhärten dafür, dass Retorte und Härtegut während der Aufheiz- und Haltephase nicht mit Gasen im Ofen reagieren können. Damit sollen vor allem Randentkohlung und Oberflächenoxidation vermieden werden. Moderne Vakuumöfen erreichen Temperaturen von bis zu 1300 °C, Mehrzweckkammeröfen hingegen in der Regel nur etwa 1000 °C.

 

Vergüten

Vergüten ist eine Kombination aus Härten und Anlassen. Mit dieser Wärmebehandlung soll das Material in einen Zustand mit hohen Zähigkeitseigenschaften bei gleichzeitig hoher Zugfestigkeit bzw. Härte versetzt werden. Das beste Streckgrenzenverhältnis und die höchste Zähigkeit werden beim Vergüten erreicht, wenn die Härtung vollkommen über die Martensitstufe erfolgt ist. Soll Material vergütet werden so ist ein möglichst kurzfristiges Anlassen nach dem Härten vorzuziehen um eine eventuelle Rissbildung, hervorgerufen durch innere Spannungen, zu vermeiden. Zur exakten Einstellung der technologischen Eigenschaften dienen die für jede Stahlsorte expliziten Vergütungsschaubilder / Anlassschaubilder. Hier sind die Festigkeits- und Zähigkeitskennwerte in Abhängigkeit von der Anlasstemperatur abzulesen.

 

Verzug 

(siehe Maß- und Formänderung)

 

Vickershärte

Der Brinellprüfung sehr ähnlich ist die im Jahr 1925 von Smith und Sandland entwickelte und nach der britischen Flugzeugbaufirma Vickers benannte Härteprüfung, die zur Prüfung homogener Werkstoffe dient und auch zur Härteprüfung dünnwandiger oder oberflächengehärteter Werkstücke und Randzonen eingesetzt wird. Sie ist in der Norm nach DIN EN ISO 6507-1:2005 bis -4:2005[5] geregelt. Im Gegensatz zur Rockwellprüfung wird eine gleichseitige Diamantpyramide mit einem Öffnungswinkel von 136° unter einer festgelegten Prüfkraft in das Werkstück eingedrückt. Aus der mittels eines Messmikroskops festgestellten Länge der Diagonalen des bleibenden Eindrucks wird die Eindruckoberfläche errechnet. Das Verhältnis von Prüfkraft in der Einheit Newton zur Eindruckoberfläche (d in Millimetern) ergibt mit dem Faktor 0,1891 multipliziert die Vickershärte (HV, engl. VHN = Vickers Hardness Number).

 

Warmbadhärten

Warmbadhärten/Warmbadabschrecken ist ein Wärmebehandlungsverfahren zum unterbrochenen Abkühlen von Stählen in einem Salzbad bei Temperaturen knapp oberhalb der Martensitstarttemperatur. Dabei wird das Ziel verfolgt, den Abkühlungsprozess zu verlängern, damit sich die Temperaturen von Rand und Kern ausgleichen können. Auf diese Weise werden der Verzug, die Rissbildung und die Eigenspannungen reduziert.

Da infolge des langsamen Abkühlens im Salzbad Eigenspannungen reduziert werden, eignet sich dieses Verfahren besonders für Bauteile mit komplexer Geometrie, unterschiedlichem Gewicht und wechselndem Querschnittsprofil. Warmbadabschrecken dient vorrangig dem Zweck, Verzug zu reduzieren und Rissbildung zu vermeiden. Legierte Stähle sind hierfür besonders gut geeignet. Im Allgemeinen können alle Stahlsorten warmbadabgeschreckt werden, die einer Ölabschreckung unterzogen werden können, um ähnliche physikalische Eigenschaften zu erzielen.

 

Warmumformen

Mit Warmumformung werden all diejenigen Umformschritte bezeichnet, die oberhalb der Rekristallisationstemperatur eines Metalls stattfinden. Die während der Umformung ablaufende Verfestigung wird durch während und nach dem Umformschritt ablaufende Erholungs- und Entfestigungsprozesse begleitet. Dadurch können sehr hohe Umformgrade aufgebracht werden. Dabei ist nicht unbedingt notwendig, dass der Werkstoff erwärmt wird. In vielen Metallen läuft die Rekristallisation bereits bei Raumtemperatur ab (Richtwert: Rekristallisationstemperatur > 0,6 x Schmelztemperatur in K).

 

Wärmebehandlung

Wärmebehandlung ist gemäß DIN EN ein Verfahren oder Verbindung mehrerer Verfahren zur Behandlung eines Werkstückes, wobei das Werkstück Änderungen der Temperatur oder des Temperaturablaufes unterworfen wird, um bestimmte Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Dabei können umgebende Mittel Änderungen, z.B. des Kohlenstoff- oder Stickstoffgehaltes, herbeiführen. Eine Warmumformung oder mit Erwärmung verbundene Verfahren der Oberflächenschutzes fallen nicht unter den Begriff der Wärmebehandlung.Unter Wärmebehandlung sind Verfahren zur Behandlung von Werkstoffen durch thermische, chemisch-thermische oder mechanisch-thermische Einwirkung zu verstehen mit dem Ziel, optimale Gebrauchseigenschaften zu erreichen.

In der Wärmebehandlung unterscheidet man grundsätzlich zwischen Verfahren, die eine durchgreifende Gefügeumwandlung bewirken und Verfahren, die lediglich eine Umwandlung an der Oberfläche eines Werkstückes verursachen. Zu den erstgenannten Verfahren gehören beispielsweise das Glühen und das Härten, d. h. die thermischen Verfahren. Die zweitgenannten Verfahren zählen zu den Diffusions- und Beschichtungsverfahren bzw. zu den thermochemischen Verfahren (z. B. Aufkohlen, Einsatzhärten, Nitrieren, Borieren). Eine weitere Möglichkeit der Einteilung kann in fertigungsorientierte oder beanspruchungsorientierte Verfahren erfolgen.

 

Weichglühen (GKZ-Glühen)

Bei Stählen mit einem höheren Kohlenstoffgehalt (>0,35 % C) und bei höher legierten Bau- und Werkzeugstählen ist in weichgeglühtem Zustand eine bessere spanende Bearbeitung möglich. Nach der Weichglühung weisen diese Stähle anstelle des lamellaren Perlits einen körnig eingeformten Perlit auf. Diese Gefügeausbildung weist eine geringere Festigkeit des Stahls auf. Die beim Weichglühen gebildeten Karbide dürfen nicht zu fein und nicht zu grob ausgebildet werden. Gröbere Karbide bewirken eine bessere Zerspanbarkeit und feine Karbide lassen sich bei einer späteren Vergütung schneller in Lösung bringen. Ein gutes Mittelmaß ist in den meisten Fällen von Vorteil. Um ein möglichst gleichmäßiges Weichglühgefüge zu erhalten ist das Ausgangsgefüge von entscheidender Bedeutung. Die Temperaturen bei dieser Glühmethode bewegen sich in der Regel kurz unter oder selten auch oberhalb von Ac1, zeitweilig auch mit einer Temperaturpendelung um diesen Bereich. Die Dauer der Glühung ist abhängig vom Ofentyp, Werkstoff, Chargiermenge und den erforderlichen Eigenschaften nach dem Glühen. Ein gesamter Zeit-Temperatur-Zyklus (inklusive Aufheizen und Abkühlen) beläuft sich auf ca. 4 - 24 Stunden. Glühfehler, wie zum Beispiel die Bildung sehr grober Karbide infolge falscher Temperaturwahl oder zu langer Haltezeit, lassen sich nur noch durch erneute Bildung von lamellarem Perlit, z.B. durch ein Normalisieren, oder durch Bildung anderer Umwandlungsgefüge, wie z.B. Zwischenstufe, wieder rückgängig machen. Anschließend muss die Weichglühung mit den richtigen Parametern wiederholt werden. Während es beim Weichglühen hauptsächlich auf eine angestrebt niedrige Festigkeit ankommt, so wird beim GKZ-Glühen zusätzlich noch besonders auf einen möglichst hohen Einformgrad des Gefüges Wert gelegt. In diesem Zustand (Ferrit mit körnigem Zementit) lassen sich Stähle am besten Kaltfließpressen oder Stauchen. Bainitische Ausgangsgefüge lassen sich besonders gut und gleichmäßig einformen. Eine besondere Form des Weichglühens ist das Glühen auf Kaltscherbarkeit. Scherbar ist ein Material schon bei höheren Festigkeiten als dies z.B. für eine Kaltumformung erforderlich ist. Die Glühzeiten sind ähnlich denen des Weichglühens, die Glühtemperaturen sind aber niedriger. Die Glühzeiten sind beim GKZ-Glühen, im Gegensatz zu den anderen beiden Verfahren, am längsten.

 

Wiederaufkohlen

Als Wiederaufkohlen wird ein Wärmebehandlungsverfahren verstanden, das ein zuvor entkohltes Werkstück etwa auf den vor dem Entkohlen vorhandenen Kohlenstoffgehalt wieder aufkohlt. Dabei wird nur soviel Kohlenstoff eingelagert, wie dies dem Grundwerkstoff entspricht. Der Kohlenstoff ist das wichtigste Legierungselement im Stahl. Er bestimmt die Härte und damit viele Folgeeigenschaften, wie z.B. Verschleiß. Durch Glühbehandlungen bei hohen Temperaturen und ohne Schutzgas kann der Kohlenstoff durch den Luftsauerstoff im Oberflächenbereich vollständig oder teilweise entfernt werden. Ein solcher Vorgang wird mit Entkohlung bezeichnet. Als direkte Folge wird die Oberflächenhärte erniedrigt.Bei Glühbehandlungen unter Schutzgas werden derartige Oberflächenreaktionen vermieden. Wiederaufkohlungsverfahren können mitunter sehr langwierig sein, da auf keine Fall zuviel Kohlenstoff in die entkohlte Randschicht eingebracht werden darf. Da das Ausgangsprofil zudem selten exakt bekannt ist, muss der Wiederaufkohlungsprozess sehr vorsichtig und zielgenau durchgeführt werden.

 

Zementit

Zementit ist eine Verbindung von Eisen und Kohlenstoff der Zusammensetzung Fe3C (ein Eisencarbid) und tritt als metastabile Phase in Stahl und weißem Gusseisen auf. Er hat seinen Namen von „Zement“ (Zementstahl, früher „cämentierter Stahl“ = aufgekohlter Stahl)